Mein Nachbar ist ein pensionierter Autohändler. Er fährt täglich mit anderen Autos vor, wie und wieso er das macht, weiß ich nicht. Seitdem ich ein Elektroauto habe, streift mich sein Blick leicht spöttisch verbunden mit einer gewissen Neugier, wann das Ding endlich seinen Geist aufgibt. Manchmal fragt er mich mit hochgezogenen Brauen, ob ich schon einmal auf meine Stromrechnung geschaut hätte, so als ob die höher sei als seine Benzinrechnung. Für mich ist dieser Blick universell, d.h. er steht für das Milionenheer von Autofahrern, die weiter machen wollen wie bisher – höher, weiter, schneller! Marketingexperten könnten sich teure Marktforschungsstudien sparen – sie bräuchten nur meinen Nachbarn zu fragen und wüssten dann alles, was sie über Autofahrer noch nicht wissen. Die verständliche Skepsis der Autofahrer steht im Widerspruch zu der Öffentlichen Wahrnehmung.
In Zeitungen und Zeitschriften stapeln sich Berichte über Elektroautos, es finden Kongresse statt, Expertenkreise diskutieren, Ladestationen sprießen in Berliner Bezirken hoch, Autohersteller geben mit neuen Modellen an, Stadtteilprojekte werden initiiert und so weiter. Nur – schaut man auf die Straßen, sind Elektroautos so selten wie weiße Wale im Rhein. In Berlin soll es 657 Stück davon geben, gemeint sind Elektroautos, die über eine Steckdose geladen werden (sog. Plugin-Fahrzeuge). Bis zum Jahr 20120 rechnet die Bundesregierung in Deutschland mit 1 Million zugelassener Elektroautos. Im letzten Jahr waren es 7114 Elektroautos, ein Jahr zuvor noch 4541 Stück. Das entspricht einer Steigerung um 57%! Eine beeindruckende Bilanz, oder? Wenn das so weitergeht, haben wir im Jahr 2020 fast 200.000 Elektroautos auf Deutschlands Straßen. Das Ziel der Bundesregierung wäre dann weit verfehlt. Also müsste man langsam anfangen Anreize zu schaffen.
Wie wäre es mit freien Parkplätzen in der Innenstadt, freie Benutzung von Busspuren, kostenfreies Tanken an Ladesäulen, Kaufprämien, zinsfreie Darlehn oder wenigstens eine Einladung beim Bürgermeister? Nichts davon zu hören, es herrscht absolute Funkstille, gerade so als ob die verantwortlichen Politiker in eine katatonische Starre verfallen wären. Neidvoll schaue ich wie so oft auf nordische Staaten wie Norwegen. Von dort hört man beeindruckende Geschichten über Zulassungszahlen von E-Autos und Privilegien für Autofahrer, die sich für einen Umstieg entschieden haben. Warum nicht bei uns?
„Ich will doch nur fahren“ denk ich mir manchmal, wenn beim Fahren mit meinem Elektroauto wieder einmal etwas schief geht. Mein Kabel passt nicht in die RWE- Ladesäule, ich müsste 400 EUR für ein Extrakabel bezahlen. Für den Reifenwechsel muss ich eine Spezialwerkstatt aufsuchen, da nur zertifizierte Mechaniker an einem Stromauto arbeiten dürfen. Die Autoversicherung ist doppelt so teuer – wenigstens die KFZ-Steuer wird gnädig kalkuliert.
Tröstlich ist, dass die Vorteile der Elektromobilität überragend sind. Die Autos fahren leise und tragen zur Lärmreduzierung bei. Sie stoßen keine Abgase aus und sind CO2-frei, d.h. kein Gestank mehr im Straßenraum. Sie sind antriebsstark und sehen im Innenraum ganz anders aus. Der Ladestrom könnte aus Nachtstrom gespeist werden – aus Lasttälern der schlecht ausgelasteten Berliner Kraftwerke. Man ahnt schon, dass hier die nächste industrielle Revolution wartet. Die Autos der Zukunft haben dann nicht mehr viel mit den dicken Daimler und Co. Schlitten zu tun. Der Wettbewerb wird auf Null zurückgedreht und neue Player wie die Firma Tesla steigen auf, ähnlich wie es der Firma Apple vor ein paar Jahren gelang. Die Wettbewerber stehen in den Startlöchern – es geht um Batterietechnologien (z.B. die Redox-Flow-Batterie), neue Werkstoffe und intelligente Fahrzeugsteuerungen. Vielleicht ist das der Grund für die Zurückhaltung der Politik – die Profiteure möglicher Subventionen sitzen nicht mehr nur in Deutschland…