Als Berliner hat man schon einiges mitgemacht. Erst kamen die Kaffee-röster und Tabakfabriken, die ihren Duft über die Stadt legten, dann die Wehrdienstverweigerer, die Umwelt-techniker und zuletzt die Solar-industrie. Was blieb, waren die Schulden der Stadt und ein paar Altlasten in Form verseuchter Grundstücke und Immobilien, die nicht mehr verwertbar waren. Egal, die Politik hatte ihre Aufgabe und konnte sich mit ihrer Wirtschaftskompetenz zieren. Sogar Gregor Gysi schaffte es, als Wirtschaftssenator zu agieren, ohne dass er für diese Aufgabe nennenswerte Referenzen hatte.
Heute sind Andere die Lieblinge der Politik – zum Beispiel die Modeindustrie und die sogenannten „Startups“, die mit dem warmen Regen öffentlicher Gelder rechnen dürfen. Warum eigentlich? Ein Startup ist zunächst nichts anderes, als ein junges Unternehmen mit starkem Wachstum und einer hoffentlich guten Idee (so definiert es zumindest der Bundesverband Deutscher Startups). Wenn es nach mir ginge, würde ich die Definition erweitern. Das Unternehmen müsste zusätzlich gute Marktchancen haben und die Perspektive, in nicht all zu ferner Zukunft Geld zu verdienen, Arbeitsplätze zu schaffen und Steuern zu bezahlen. Soweit die Idee. In der Praxis reduziert sich die Startup Szene überwiegend auf Online Shops, in denen Produkte und Dienstleistungen über das Internet und nicht mehr über den stationären Handel angeboten werden. Tolle Idee, aber wirklich innovativ ist das nicht. Warum also schmückt sich die Politik damit so gerne? Nun, nach wie vor arbeiten 9 von 10 Beschäftigten in Deutschland als Angestellte, das heißt ein Selbständiger muss im Durchschnitt 9 Angestellte durchfüttern. Jeder neue Unternehmer wird von der Politik demzufolge in der vagen Hoffnung hofiert, dass möglicherweise neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Nur wollen die meisten Menschen partout nicht als Unternehmer arbeiten, sondern die Sicherheit eines festen Arbeitsplatzes genießen. Nicht zuletzt deshalb, weil das Image von Unternehmern in den letzten Jahren arg gelitten hat. In Film und Fernsehen bekleiden Unternehmer eher die Rolle des Bösewichts.
Und so kommt es, dass Startups durch öffentlicher Gelder künstlich am Leben gehalten werden, nach dem Motto: die Hoffnung stirbt zuletzt. Bestes Beispiel dafür ist die Firma Zalando GmbH (siehe Tabelle unten).
Zalando GmbH | 2013 | 2012 | 2011 | 2010 |
Umsatz in Mio EUR | 1’800 | 1’160 | 510 | 154 |
EBIT in Mio EUR | -120 | -84 | -59 | -20 |
Free Cashflow in Mio EUR | -200 | -166 | -56 | -20 |
Ebit Marge in % | -6,6 | -7,2 | -11 | -13 |
Eindeutig hat sich der Umsatz in vier Jahren verzehnfacht – der negative Free Cash Flow aber auch. Und das EBIT, also die Kennzahl, die zeigt, wie gut das operative Geschäft läuft, liegt bei knapp -7%. Das heißt, wenn ich Schuhe von Zalando für 100 EUR kaufe, legen die Eigentümer noch einmal 7 EUR drauf – und das schon seit Jahren. Man fragt sich, woher die Eigentümer das Geld herbekommen. Der Free Cash Flow, also das wirkliche Geld, das vom Konto der Firma abfloss, lag 2013 geschätzt bei -200 Mio EUR, ein echtes Zuschussgeschäft. Liegt vermutlich an den hohen Rücklaufquoten (man spricht von über 50%). Die Kunden bestellen viel und kaufen wenig. Kann man sich ja denken – wenn ich in ein Bekleidungsgeschäft gehe, probiere ich ja auch erst einmal mehrere Sachen an, bevor ich etwas kaufe. Wieso bekommen die dann aber Millionen an Subventionen (allein 22 Mio EUR vom Bundesland Thüringen für einen Logistiklager in Erfurt)?
Mein Tipp an die Politik: Belohnt lieber die Firmen, die es richtig machen. Woran kann man sie erkennen? Nun, die Kriterien müssten meiner Meinung nach Folgende sein:
- Firmenjubiläum: Erst wenn eine Firma mindestens 10 Jahre im Markt besteht, hat sie bewiesen, dass sie über ein stabiles Geschäftsmodell verfügt.
- Beschäftigtenstruktur: In den Büros der Startups sehe ich nur Männer, die auf Bildschirme starren, meistens sehr junge Männer. Oft schlecht bezahlt, wenn sie überhaupt Geld verdienen. Lobenswert und förderungswürdig fände ich, wenn auch richtig alte Mitarbeiter zu sehen wären, oder gehandicapte Mitarbeiter, also die ganze Bandbreite von Menschen, die es gibt. Und dass die ein Gehalt verdienen, mit dem man nicht nur sich, sondern auch eine Familie ernähren kann, und zwar auf Dauer!
- Produkte: am besten Industrieprodukte. So richtig etwas zum Anfassen, mit viel neuer Technik, gerne aus Metall, Kunststoff oder meinetwegen auch Holz. Denn damit gehen qualifizierte Arbeitsplätze einher, bilden sich Lieferanten drum herum und technische Dienstleistungen. Kurz gesagt, ganze Wertschöpfungsketten würden entstehen, die nicht beim ersten harten Wind aus dem Gleichgewicht geraten.
Das hört sich ziemlich naiv und unrealistisch an, ok. Aber gerade deshalb wäre es ja wichtig, diese Art von Firmen zu fördern, mit Preisen öffentlich anzuerkennen und als Vorbild darzustellen. Denn das ist es doch, was wir wollen. Gute Arbeitsplätze und Unternehmen, die damit gutes Geld verdienen, oder?